Sechstes Kapitel Wittenberge – Hof ? (2018)

Für diesen Abschnitt halten sich die Vorbereitungen völlig in Grenzen, tendieren nahezu gen null. Wir fahren mit dem Zug nach Wittenberge und setzten dort wieder ein. So ca. 12 Tage sind geplant, womit wir trotz der Berge im Harz und in Thüringen die gut 900 km bis Hof schaffen sollten.

1. Tag Wittenberge – Salzwedel 85 km

Am 20. Mai fuhren wir mit dem Zug nach Wittenberge. Ein Schönes Wochenend Ticket plus 2 Radkarten kosten knapp 35 Euro. Wir kamen pünklich an, und konnten um 12 Uhr unsere Etappe sofort starten, weil es im Zug noch ein paar herzhafte Eierkuchen als Snack gab. Erstmal zurück nach Schnackenburg. War jetzt nicht so schwer, immer an der Elbe stromabwärts. Ein perfekter Weg und Rückenwind ließen uns die gut 20 km in einer Stunde abreißen. Mit der Fähre gings für Umme über`s Wasser. Der Kassierer hatte uns vergessen, oder uns einer anderen Fahrradgang zugeordnet, egal wem – Herzlichen Dank. Hier wird der Radweg „Grünes Band Deutschland“ genannt. Da einige Wegweiser fehlen, wir die Karte nicht richtig lesen, und als Männer natürlich nicht nach dem Weg fahren, erfahren wir hier schon unseren eigenen Radweg, erreichen trotzdem nicht nur den Arendsee, sondern auch den dazugehörenden Ort. Im „Deutschen Haus“ gab es Rinderroulade mit Rosenkohl und Klößen. Der halbe Liter kostet hier sportliche 4,70 Euro. Gegen 16 Uhr radeln wir weiter in die Hansestadt Salzwedel. Leider ist auch hier die Ausschilderung sehr irreführend, schade. Aber irgendwie finden wir den Weg über die Felder des Wendland und erreichen unsere Unterkunft. Die Pension „Zum Bartelskamp“, nicht ganz Citynah, haben wir wegen des Pfingstwochenendes vorgebucht. Wir waren die einzigen Gäste. Unsere Wirtsleute hatten versucht, die Wartezeit mit ein paar Pils zu überbrücken. Gut, daß wir nicht noch eine Stunde später ankamen. Frühstück haben wir mit einem mulmigen Gefühl zu 7:30 Uhr geordert. Nachdem wir die Taschen abgeladen hatten fuhren wir in die City zurück.
Die Stadt aus dem 9. Jahrhundert wurde 1112 erstmal urkundlich erwähnt, erhielt 1233 das Stadtrecht und trat 1263 der Hanse bei. Durch die Niederschlagung des Bierzieseaufatand, sie richtete sich gegen die Erhebung einer Biersteuer,
verlor die Stadt wesentliche Rechte, wie Gerichtsbarkeit, freie Ratswahl und Bündnissrecht und damit an Bedeutung. Die mittelalterliche Altstadt hat den Dreißigjährigen und den 2. Weltkrieg gut überstanden.
Jenny von Westphalen, Frau von Karl Marx wurde hier geboren. Ein großer Exportschlager ist der Baumkuchen.
Zum Abendbrot gab es griechische Spezialitäten. Danach noch ein Bier von der Tanke, und ab ins Bett.

2. Tag Salzwedel – Beendorf 135 km

Um 7 Uhr klingelte der Wecker. Zu packen war ja noch nicht viel, also ran an das geplante Frühstück. Der Tisch war zwar eingedeckt, aber kein Essen zu sehen. Da auch keine Geräusche zu hören waren, hat Dirk gewettet, daß es nichts geben wird. In der Küche nebenann fanden wir dann Kaffe, und plötzlich war auch unser Wirt mit dem Essen da. Insgesamt für 60 Euro das Doppelzimmer o.k. 8:15 konnten wir losfahren. Wie gestern wir hatten sonnige 22 – 24 Grad, heute etwas windiger, aber größtenteils hilfreich. Die Ausschilderung war wieder grauenhaft, die Wege zum Teil nicht besser. Immer wieder kreutzen wir die ehemalige Grenze. An vielen Stellen ist nichts mehr zu erkennen.
Pfingstmontag ist tagsüber die Versorgung nicht so üppig, wir finden aber in Bonese das Restaurant „Am Markt“, welches extra zur Mittagszeit öffnete, Hausmannskost zu günstigen Preisen. So gestärkt konnte es weiter gehen.
Das Wetter war immernoch perfekt, Wege und Ausschilderung wechselten ständig zwischen gut und schlecht. Großartige Sehenswürdigkeiten, außer die Landschaft, sind auf diesem Abschnitt nicht vorhanden, sodaß wir uns in Brome im
Cafe „Rehfeldsche Mühle“ mit einem Stück Kuchen belohnen mußten. Dieser Ort wurde damals an drei Seiten von der Grenze umschlossen. In der Burg befindet sich das Heimatmuseum, mit einer Dokumentation über den Fall des Eisernen Vorhang. Wir erreichen dann “ Klein Berlin“, ein Ort, der schon im 18. Jahrhundert geteilt war, dessen Einwohner aber seit jeher ein freundliches Verhältniss pflegen. Zicherie gehörte zum Königreich Hannover, Böckwitz zum Königreich Preussen. Selbst ein Krieg zwischen Hannover und Preussen änderte nichts an dem freundlichen Verhältniss. Ab 1945 trennte dann die Grenze die beiden Dörfer. 1952 wurde ein Bretterzaun gezogen, später Stacheldraht und eine Betonmauer. Ein 3,5 km langer Grenzlehrpfad dokumentiert das sehr anschaulich. Im „Naturpark Drömling“ verfahren wir uns wieder mal, und sollten dann durch eine abgerissene Brücke gebremst werden. Solche „Hindernisse“ haben wir aber schon öfter überwunden, und einen Bauzaun mal schnell beiseite schieben ist auch keine Herausforderung. Der Steg war breit genug, das Wasser nicht sehr tief, es hätte bei einem Sturz mehr weh getan, als daß wir nass geworden wären. Bis Helmstedt schaffen wir es nicht mehr, in Beendorf ist heute Feierabend. Da wir morgen die Gedenkstätte Marienborn besuchen wollen, brauchen wir auch nicht weiter fahren. Im „Landhaus Beendorf“ gibt es noch ein großes Rumpsteak mit rechlich Spargel für 18 Euro. Da durfte zum Abschluß noch ein „Schierker Feuerstein“ obendrauf. Wir können ausschlafen, denn bis Marienborn ist es nicht mehr weit.

3.Tag Beendorf – Elend 130 km

Das Frühstück war durchschnittlich, um 8:30 Uhr war Start. Bis Marienborn waren es nur 7km, sodaß wir viel zu früh dort waren. Wir haben dann Matzte`s Rad neu beflaggt,jetzt sieht es wieder schick aus. Kurz vor 10 Uhr begannen wir unseren Rundgang, der sehr interressant war. Wenn man überlegt, wie viele Menschen hier beschäftigt waren, und welcher Aufwand betrieben wurde, schon sehr gruselig. Glücklicherweise gelang doch einigen die Flucht. Wir radeln bis Schöningen, und essen Mittag in einem Bistro. Das Wetter war wieder herrlich, 22 – 24 Grad, leichter Wind und viel Sonne. 3 Flaschen Wasser und ein paar Kekse sollten als Proviant reichen. In Elend haben wir uns dann schonmal ein Quartier besorgt, gegen 20 Uhr wollten wir dort ankommen. Die Ausschilderung war weiterhin schlecht. Erst fuhren wir über Felder und Wiesen, bis es allmählich hügelig wurde.
In Ilsenburg angekommen, haben wir unseren Quartiervater nochmal angerufen. Wir sagten, dass es später wird, und der Wirt erklärte uns, dass es um 21 Uhr dunkel wird. Daß wir jetzt nur noch bergauf fahren, war so ja auch nicht abgemacht. Das Wasser war auch schon alle, sodaß wir uns am Bach versorgen mußten. Für die 20 km brauchten wir dann auch 2 Stunden. 21.30 Uhr standen wir vor der Tür der Pension „Bodetal“. Der Wirt hatte nicht mehr mit uns gerechnet, gab uns aber noch reichlich Bier und eine kalte Platte. Gegen 23 Uhr gönnten wir ihm auch seinen Schlaf.

4.Tag Elend – Brocken – Elend 36 km

… und noch viel weiter – so der Plan.
Wir schlafen bis um 8 Uhr. Dann gibt es ein ordentliches Frühstück, dazu ein Smal Talk mit unserem Wirt. Unser Ziel ist erstmal der Brocken. Wir einigen uns darauf, unser Gepäck anschließend abzuholen. Für die gut 20 km brauchen wir über 2 Stunden, kein Wunder bei 835 Höhenmeter, teilweise gespickt mit 12 % Steigung. Aber wir haben keinen Meter geschoben !!! Zur Belohnung gab es auf dem Gipfel sonnige 15 Grad, natürlich mit Wind. Das stört uns gar nicht, denn hier oben regnet es sonst an 260 Tagen im Jahr, und an über 300 Tagen ist es bewölkt. Im Brockenmuseum erfährt man dann alles über die Geschichte, z.B. daß die erste nachweisliche Besteigung im Jahr 1572 stattfand,Goethe den Berg zweimal bestieg, und die Schmalspurbahn 1899 eröffnet wurde und die Station auf 1125 Meter liegt. Die Faulen brauchen also nur noch 16 Höhenmeter überwinden. Nach dem 2. Weltkrieg war der Berg von den Amerikanern besetzt, ging im April 1947 durch Gebietsaustausch an die sowjetische Besatzungszone. 1961 wurde der Berg für Touristen gesperrt und um die militärischen Abhöranlagen eine Mauer gebaut. Ein Besuch hier oben war damit ausgeschlossen, somit konnten die Wälder hier von alleine absterben, ein Vorgang, der bis heute noch nicht gestoppt werden konnte. Zu sehen ist auch die älteste erhaltene Wetterschutzhütte Deutschlands. Die Abfahrt nach Elend ging etwas schneller, bis jetzt ein gutes Omen. In Schierke besuchen wir noch den Feuersteinhersteller. Da wir mit Alkohol eh nicht`s am Hut haben, nehmen wir eine Salami mit, in der die Likörkräuter verarbeitet werden.
Gegen 13:30 Uhr sind wir zurück im Quartier, laden unser Gepäck auf, und radeln Richtung Sorge. Richtig – von Elend nach Sorge, das kann gar nicht gut gehen. Auf einer Abfahrt streikt Matzes Hinterrad. Die Ritzel nehmen das Rad nicht mehr mit, vorwärts wie rückwärts das gleiche Ergebniss – es passiert nichts ! Gut, Dass wir noch nicht so weit gekommen sind. Dirk radelt zurück nach Elend, Matze schiebt. Im Andenkenladen am Kreisverkehr erkundigen wir uns nach dem nächsten Radladen. Im 6 km entfernten Braunlage gibt es mehrere Angebote. Wir müssen eine Großraumtaxe ordern, die Räder müssen ja auch mit. Die nette Dame im Laden kommt übrigens aus Holland und liebt die Berge. Daß es sie aus der Heimat vertrieben hat, ist irgendwie nachvollziehbar. Wir stärken uns mit einer Bockwurst und einem Bier. Die Taxe bringt uns nach Braunlage, der Fahrer wirft uns am Radladen raus. In der Wekstatt ist man bemüht, aber nicht mit Emotionen dabei. Der Chefmonteur ist erst morgen ab 9:30 Uhr vor Ort. Wir buchen das „Haus Nitzschke“, mit Frühstück 65 Euro, wahrscheinlich nicht das beste Quartier im Ort, der 70er Jahre Stile machts aber irgendwie symphatisch. Wir bringen das Gepäck rüber und erkunden die City. Zum Abendbrot gibt es frisch geräucherte Forelle mit Bier. Da wir heute schwer geschuftet haben, machen wir uns auf den Weg ins Quartier und belohnen uns mit einem Fernsehabend.

5.Tag Braunlage 0 km

Das Frühstück ist ausreichend, mehr aber auch nicht. Da es regnet gammeln wir ein bisschen rum. Der Plan 11 Uhr geführte Wanderung, 15 Uhr Glockenspiel, 16 Uhr Schnupperkurs Bogenschießen, 17 Uhr nochmal Glockenspiel findet keine Mehrheit. Wir schlendern zum Radmonteur und fachsimpeln. Man erklährt uns das Problem und mögliche Lösungen. Die Idee, die Blockade im Ritzel löst sich mittels Spay, finden wir nicht so toll. Eine fifty fifty Chanche macht es auch nicht besser. Wir einigen uns auf ein neues Rad incl. Ritzel. Mittag gibt es beim Kroaten, in der City gibt es internationale Angebote ohne Ende. Die Seilbahn zum Wurmberg ist in Betrieb, aber der erwähnte Regen hält uns davon ab, auf den zweithöchsten Berg des Harz zu fahren. Um 17 Uhr holen wir das Rad ab, Matze hat ein neues Ritzel. Danach schnell zum Glockenspiel, ein Highligth muß man ja haben. Den einzigen Regentag auf unserer diesjährigen Tour haben wir somit sinnvoll hinter uns gebracht. Die Taschen für die Abfahrt sind gepackt, wir essen Abendbrot und schauen Championsleague Finale der Frauen. Ja, man kommt schon auf blöde Ideen. Wolfsburg hat 4:1 verloren.

6.Tag Braunlage – Bornhagen 110 km

Das Frühstück kannte wir schon, es wurde nicht besser, 8:30 Uhr war Start. Den Originalweg über Sorge haben wir nicht genommen, in Elend haben wir schon genug ebensolches erlebt. Bis Hohegeiß schaffen wir nochmal 350 Höhenmeter. Von da fahren wir ca. 15 km nur bergab, einige Kilometer im 40er Schnitt. In Mackenrode machen wir zweites Frühstück, Thüringer Rostbratwurst, denn wir haben das nächste Bundesland erreicht. Das Wetter war mal wieder sehr gut, Sonne und gute 20 Grad. Größtenteils ist die Strasse gut befahrbar, ein knapp 3 km langes Stück Schotterweg bremst uns ein wenig. Gegen 13 Uhr erreichen wir Duderstadt, mit einer Kuriosität. Das Wahrzeichen der Stadt, die St. Cyriakus Kirche, hat einen schiefen Turm. Ca. 600 Fachwerkhäuser sind erhalten, incl. des Rathauses. Auf dem Marktplatz steht ein Wiedervereinigungsdenkmal. Der Sage nach sollen drei Brüdern die Stadt erbaut haben. Als es um die Namensgebung ging, konnte man sich nicht einigen. Der Jüngste soll zum zweiten gesagt haben, gib du der Stadt den Namen. Dieser wiederum sagte das Gleiche zum dritten. Als der sich dann mit den selben Worten wieder an den ersten wandte, einigte man sich auf Duderstadt. Auf dem Marktplatz finden wir einen Italiener, der uns landestypisches seviert. Kurz vor 15 Uhr geht es Richtung Eichsfeld. Dort gibt es wieder mal ein Grenzlandmuseum. An diesem Grenzübergang kam es wegen der zögerliche Modrow- Regierung zu einer symbolischen Aktion. 50000 Menschen gingen mit Koffern über die Grenze, um zu zeigen, was geschehen würde, wenn die Regierung nicht freien Wahlen und der Wiedervereinigung zustimmen würde. Hier fahren wir dann auch eien Teil des ehemaligen Kolonnenweges. Trotzdem langsam Gras darüber wächst, ist er nicht einfach zu fahren, noch dazu bergauf. Weiter fahren wir nach Böseckendorf. Dort kam es am 2. Oktober 1961 zu einer Massenflucht von 16 Familien, nachdem sie erfahren hatten, daß ihr Dorf evakuiert werden soll. Im darauf folgenden Februar flüchteten nochmals 13 Menschen.
Den Ausflug nach Heiligenstadt sparen wir uns, auch wenn hier die Gebrüder Grimm 1838 die Schlußfassung des „Deutschen Wörterbuches“ bearbeiten. Im Arenshausener „Hotel Krone“ sollte unser Bett stehen. Leider war „Ruhetag“, sodaß wir bis Bornhagen, am Fuße der Burg Hanstein weiterfuhren. Im dortigen „Klausenhof“ bietet man schlafen im Heu an. Wir haben Glück und erwischen noch ein Zimmer für 110 Euro. Hier sind alle Zimmer individuell gestaltet, alles im Zusammenhang mit Märchen, wir fahren ja auch an der „Deutschen Märchenstraße“. Unser Zimmer ist den Gebrüdern Grimm gewidmet. Insgesamt ein sehr nettes Quartier mit sehr unterschiedlichen Übernachtungsmöglichkeiten. Die Küche ist ebenfalls positiv zu erwähnen. Wir hatten Frischlingsbraten mit Brombeerrotkohl und Klößen. Dazu gab es natürlich Bier, zwischendurch auch eine Dusche. Die Räder haben wir noch im Hof versteckt, dann ging es ins Bett. Dirk wollte lieber das Heu.

7.Tag Bornhagen – Berka 114 km

Um 7 Uhr klingelt der Wecker. Wieder herrlicher Sonnenschein, nachmittags bis 30 Grad. Noch vor dem Frühstück wollen wir die Burg besuchen. Ca. 500 Meter bergauf, und dann ohne Erfolg. Früher bremste einen die Mauer aus, heute ein großes Tor. Also zurück und Taschen packen. Das Frühstück ist fantastisch, dem Gesamtstyle angepasst. Wir radeln erstmal knapp 5 km bergab, und erreichen das Werratal mit dazugehörigem Radweg. Trotzdem man sich entlang der Werra kaum verfahren kann, ist der Weg gut ausgeschildert. Der Fluß entspringt in Thüringen, fließt durch Hessen und Niedersachsen und vereinigt sich dort mit der Fulda zur Weser. Seit dem 19. Jahrhundert werden die salzhaltigen Abwässer des Kaliabbau in die Werra geleitet. Zu DDR Zeiten wurde der Fluß im großen Stil mit Salz verseucht. Allmählich bessert sich die Wasserqualität. Da sich hier einzig der Groppen wohlfühlt, ein Fisch der sonst im extrem salzigen Nordpazifik einheimisch ist, zeigt, daß noch viel zu tun ist. In Eschwege rollen wir über den Marktplatz und gönnen uns ein Erfrischungsgetränk. Wir fahren weiter, in Falken finden wir den Gasthof „Goldene Aue“. Als wir unsere Räder parken, steht da ein Golf mit der Aufschrifft „Udo Lindenberg – Ich mach mein Ding“. Für uns Udonauten ein Grund mehr hier einzukehren. Rostbrätel mit Bier gibt es. Wir plaudern mit der Wirtin über Udo und ihrer Konzerterfahrungen. Im Gastraum dann die große Überraschung, von ihren vielen Konzertbesuchen ein Bild des Künstlers incl. der Eintrittskarte. Westernhagen, Maffay, Tina Turner u.v.m. Sie legt uns noch die Udo Unplugged auf. Nach „Horizont“ steigen wir etwas wehmütig auf unsere Räder, versprechen aber wieder vorbeizukommen, wenn wir in der Nähe sind. Weiter geht es bei herrlichem Wetter auf einem super Radweg mit perfekter Ausschilderung Richtung Eisenach. Die Wartburg ist von dieser Seite aus nicht zu sehen. In Herleshausen leisten wir uns noch ein Bier und buchen in Berka unser Bett. Die „Post“ serviert uns noch Wildgulasch und Hühnerbrust mit Spargel. Dazu einige Biere und das Championsleaguefinale Liverpool gegen Real Madrid. Aus unserer Sicht mit dem falschen Sieger.

8.Tag Berka – Henneberg 112 km

Das Frühstück war o.k. kurz vor 9 Uhr radeln wir los. Erstmal in die falsche Richtung, aber das kennen wir ja von uns. Bis Philippsthal begleitet uns noch die Werra, danach heißt sie Ulster. Als wir auch diesen Fluß verlassen geht es wieder bergauf bis Geisa. Dort essen wir Mittag, da das Rostbrätel aber nicht zu empfehlen ist, wird die gastronomische Einrichtung auch nicht weiter erwähnt. Nur die Steckdosen für die Elektroräder sind ganz witzig. Anschließend erklimmen wir den Hügel zum Point Alpha, einer der wichtigsten amerikanischen Abhörstation aus dem Kalten Krieg. Ein erst aus Holz, später aus Beton errichteter Turm ist noch erhalten und Bestandteil des Grenzmuseum. Auf der gegenüberliegenden Seite stand natürlich auch ein Turm, sodaß man sich aus 200 Metern Entfernung quasi auf den Teller schauen konnte. Nach dem Mauerfall wurde der Abriss durch eine Bürgerinitiative verhindert, und 1995 als Grenzmuseum der Öffentlich zugänglich gemacht. Im „Haus auf der Grenze“ befindet sich u.a. eine Dokumentation zum Leben an der Grenze und zur Staatsgrenze im Kalten Krieg. Die Abfahrt ging wieder deutlich schneller, über 55km/h. Wir erreichen das Biosphärenreservat Rhön. Hier haben wir den ersten Regen auf unserer diesjährigen Tour. Aber nach einer halben Stunde leichten nieselns wird es wieder schön. Ein kräftiger, 4 km langen Anstieg mit bis zu 10% Steigung zwingt uns dann doch mal kurz zum schieben. In Frankenheim erreichen wir die „Schweinebucht“ mit einigen Sangeskünstlern. Schön singen sie nicht mehr, wir vermuten sie sind seit dem Frühschoppen hier. Es ist nach 16 Uhr, zum Hawaii Toast gibt`s ein Bier, die Sängerknaben halten uns vom längeren Verweilen ab. Ein ständiges Auf und Ab begleitet unseren Weg, so kommen wir wieder auf 1000 Höhenmeter. In Henneburg steht heute Nacht unser Bett im „Alten Forsthaus“. Wir hatten es gestern Abend schon gebucht, incl. Bratwurst mit Kartoffelsalat und Bier. Andere Verpflegung gab es hier nicht. Mit dem Frühstück für 60 Euro fanden wir einen fairen Preis.

9. Tag Henneberg – Coburg 109 km

Das Frühstück war üppig, auf die Frage „Wer soll das alles essen ?“ sagte die Wirtin, dass sich die Gäste oft noch ein Brötchen für unterwegs machen. Diesen Supertipp befolgen wir, ein Umstand, der uns heute noch weit bringen soll. Kurz vor 9 Uhr radeln wir zum 2 km entfernten Skulpturenpark „Deutsche Einheit“. Für mich eine der gelungensten Gedenkstädten. Ein Barbarossadenkmal mit der Geschichte in die Wendezeit versetzt, ein Stuhl der symbolisch vor die Tür gesetzt wird, als Erinnerung an die Säuberungsaktion „Ungeziefer“ und das Mahnmal „Heimat“. Es geht weiter bei herrlichstem Wetter bis Irmelshausen. Der dortige Campingplatz hat einen See, den wir testen. Recht kalt ist er, aber zu ertragen. Danach verputzen wir unser Brötchen. Auf unserer Weiterfahrt treffen wir an der Fränkischen Saalequelle einen Wanderer. Dieser ist in Hof gestartet und wollte in 10 Wochen bis Lübeck. Eine Leistung, vor der selbst wir großen Respekt haben. An der Quelle füllen wir unsere Wasserflaschen auf, wieder eine gute Idee. Allmählich kommt der Hunger. Im nächsten Ort ist eine Gaststätte eingezeichnet, aber heute ist Montag – und Montag ist Schontag, oder Ruhetag ! In Ummerstadt haben gleich alle DREI Wirtshäuser bzw. Cafe`s von diesem Recht gebrauch gemacht. Kurz vorm Ortsausgang, wieder vor verschlossener Tür, hören wir plötzlich eine Stimme: „Möchten sie was trinken ?“ JAAAAAA ! Zwei schnelle Bier, und weiter gehts, wir haben ja noch Hunger.
Billmutshausen

In Gauerstadt hatte dann der Biergarten „Wacker“ geöffnet. Wir waren nicht die einzigen Radler, die sich hier einfanden. Einer Truppe die in die Richtung fuhr, aus der wir kamen, sagten wir, dass sie sich für den Rest des Abends komplett versorgen sollten. Man dankte uns für den Tipp. Wir hatten Schnitzel und buchten noch das „Hofbräu München“ in Coburg. Das Begrüßungsbier kurz vor 20 Uhr war das Beste an dieser Butze. Wir satteln ab und machen uns landfein. In Coburg ist das weltberühmte Winzerfest am abklingen. Einen Flammkuchen teilen wir uns, und da Wein nicht so unser Getränk ist, suchen wir erfolgreich einen Biergarten. Auf dem Heimweg kollidieren wir noch mit einer Bar, aber dann ist irgendwann Schluß.

10. Tag Coburg – Dürrenwaid 115 km

Das Frühstück war ausreichend, aber lieblos und nicht besonders lecker. Über Rödental fahren wir nach Neustadt zur „Gebrannten Brücke“. Früher war hier sumpfiges Gelände. Dieses wurde durch einen Knüppeldamm bzw Brücke überwunden. Zur Verbesserung der Dauerhaftigkeit wurde das Holz angekohlt. An diesem Grenzübergang kam es im Juli 1949 bei einem Fußballspiel zu einer Massenflucht. Letzmalig wurde die Grenze 1951 geöffnet. Am 1. Juli 1990 wurde hier von den beiden Innenministern Diestel und Schäuble der Vertrag zur Abschaffung der Grenzkontrollen unterzeichnet. Bei wiedermal herrlichem Wetter mit guten Wegen, die auch noch ausgeschildert sind, erreichen wir das geschleifte Dorf Liebau. Zwei Gedenksteine erinnern an das erstmalig 1317 erwähnte Dorf. An die Flucht der Dorfbewohner 1952 und den Abriss des Dorfes 1975 auf Anordnung der SED. Gegen 11:30 Uhr erreichen wir Stockheim. Die Bäckerin schmiert uns ein paar Brötchen und hatte schon einen Erdbeerkuchen für uns gebacken. Auf dem weitern Weg passieren wir Bahnschienen, die Gleise des ehemaligen Interzonenzuges von Berlin nach München.Kurz nach Tettau erreichen wir wieder den Rennsteig, der bekannteste von über 200 „Rennwegen“ im deutschen Sprachraum. Es sind Pfade eines uralten Wegenetzes für Boten zu Fuß oder Pferd auf kürzestem Weg zwischen wichtigen Orten. Um Überfällen zu entgehen, führten diese Wege meist auf Höhenzügen durch Wälder, fernab von Siedlungen. Auf dem 678 Meter hohen Ratzenberg befindet sich nicht nur die Wasserscheide Elbe/Rhein, sondern auch ein Beobachtungsturm aus den 60er Jahren. Von hier hat man eine schöne Aussicht über den Thüringer Wald“. In Lehesten finden wir die Pension und Restaurant „Glück Auf“. Hat so gar nichts mit dem Sportclub aus Gelsenkirchen zu tun, mehr mit thüringer Gastlichkeit. Wir warten gern die 10 Minuten, bis die Gasstube öffnet, und wir unser wohl verdientes Abendbrot bekommen. Super lecker und eine freundliche Bedienung. Im Ort wurde 1911 die erste Dachdeckerschule für Schiefer in Deutschlands gegründet. Dementsprechend sind hier natrlich alle Dächer mit Schiefer gedeckt. In der St. Aegidien Kirche steht die größte, aus einem Stück gehauene Schiefertafel,welche 3 x 2,5 Meter misst. In Blechschmidtenhammer buchen wir unser Bett. Wir halten uns an den vorgeschriebenen Weg, kommen irgendwann aber von selbigem ab. Ein recht abenteuerlicher Weg, erst 1 km bergab, dann Dank Hinweis 3,5 km bergauf, läßt uns zweifeln. Anstatt das Abenteuer zu wagen, schieben wir unsere Räder lieber den Kilometer zurück. Dass es dann trotzdem bergauf, und wenig bergab geht, haben wir so nicht geplant. Wir kommen mal wieder von unserem ursprünglichen Weg ab, und müssen noch einigen Steigungen überstehen. Unseren Quartiervater für diese Nacht rufen wir nochmal an, er will aber nicht auf uns warten. Somit radeln wir mit sinkendem Elan Richtung Bad Steben. Notfalls soll dort unser Bett stehen. In Dürrenwaid sehen wir den Gasthof „Dürrenwaider Tal“. Schnell gebremst und rein ins Haus. Ein älteres Ehepaar sitzt am Tisch. Die Frage nach einem Zimmer schien sie zu überraschen, die Entscheidung dauerte einen Moment. Aber für 44 Euro dürfen wir dort übernachten, allerdings ohne Frühstück. Es gesellen sich noch ein paar Bauarbeiter zu uns, insgesamt eine sehr lustige Runde. Wir erfahren, daß unser Wirt das Gasthaus seit 60 ! Jahren betreibt, er also ca. 80 jahre alt ist. In der Zeit hat er das Bier zapfen zur Perfektion entwickelt, was wir dann auch noch schamlos ausnutzen. Gegen 23 Uhr geht es ins Bett, morgen noch knappe 50 km bis Hof.

11. Tag Dürrenwaid – Hof 44 km

Vom Charme des Badezimmer noch geschockt fahren wir um 7:30 Uhr los. Nach 7 km erreichen wir Bad Steben. Im ersten Cafe halten wir an, ein kleines Frühstück mit großem Kaffee ist nicht der Rede wert. Bei sonnigem Wetter bis 25 Grad radeln wir wieder bergauf und ab nach Blankenstein am Rennsteig. Hier beginnt bzw.endet Deutschlands bekanntester Wanderweg. Bei Eisenbühl steht ein riesiger Skulpturengarten. Einige interressante Eisenstatuen sind zu sehen, bei anderen fragt man sich schon „Ist dass Kunst oder Schrott“. Aber wie alles im Leben liegt es im Auge des Betrachters. Bei Frankenwald erreichen wir die A 9, entscheiden uns aber gegen den direkten Weg nach Berlin. Hinter Hirschberg verlassen wir diesmal absichtlich den vorgegebenen Weg Richtung Hof. Es geht wieder einige Berge hoch und runter. Bei Dirk ist die Luft raus, endlich aber sehen wir unser Ziel in der Ferne.

Wir erreichen Hof mit Mühe und Not, …

Nein, allen geht es gut. Allein heute sind es nochmal 850 Höhenmeter, auf der diesjährigen Tour insgesamt über 9000.